Hier haben wir bereits gelernt, was eigentlich hinter der Verschluss-/Belichtungszeit unserer Kamera steckt. Doch was bedeutet das in der Praxis und wofür kann ich eine Langzeitbelichtung einsetzen?
Was passiert bei einer Langzeitbelichtung?
Von einer Langzeitbelichtung spricht man bei Verschlusszeiten von mehreren Sekunden bis hin zu Stunden. Während dieser gesamten Zeit fällt Licht auf den Sensor. So lassen sich auch bei Nacht helle Aufnahmen festhalten und tolle Effekte erzielen.
Bei der Aufnahme eines fahrenden Autos oder eines springenden Hundes verwischen die Bewegungen beispielsweise und es entsteht eine gewisse Unschärfe. Diese wird auch als Bewegungsunschärfe bezeichnet. Die Ausprägung dieser Unschärfe hängt nicht nur von der gewählten Belichtungszeit ab, sondern auch davon, wie schnell sich das fotografierte Motiv bewegt.
Es gilt:
Je länger die Verschlusszeit und je mehr sich das Objekt bewegt, desto stärker wird die Unschärfe.
Fotografiert man hingegen z.B. ein Produkt entsteht natürlich keine Bewegungsunschärfe, da sich das Motiv nicht bewegt.
Wofür brauche ich lange Belichtungszeiten?
Mit großer Wahrscheinlichkeit hast du schonmal Bilder gesehen, bei denen eine lange Verschlusszeit der Kamera verwendet wurde. Klassische Motive hierbei sind zum Beispiels Wasserfälle, der Sternenhimmel oder der Verkehr auf der Autobahn. Ebenfalls lassen sich Feuerwerke, Skyline-Aufnahmen oder ein Gewitter mit Langzeitbelichtungen hervorragend festhalten.
Doch warum will man eigentlich ein unscharfes Motiv magst Du dich vielleicht fragen? Bewegungsunschärfe ist ein Effekt, der gezielt eingesetzt wird. Dadurch wirkt ein Bild sehr lebendig. Fotografiert man beispielsweise einen Fluss, so wird dieser bei einer Langzeitbelichtung nicht in der Bewegung eingefroren, sondern es entsteht eine weiche Bewegungsunschärfe. Man erkennt also direkt im Bild, dass das Wasser nicht still steht sondern fließt. Das lässt den Fluss nicht nur lebendig wirken, manchmal hat man sogar das Gefühl als wäre man direkt dabei gewesen und hört das Wasser platschen. Bei langen Belichtungszeiten bringt dieser Effekt auch oft eine beinahe surreale Wirkung ins Bild.
Auch andere Bewegungsabläufe wie beispielsweise die Erdrotation oder ein Feuerwerk können hervorragend festgehalten werden.
Bei schlechten Lichtverhältnissen können lange Belichtungszeiten natürlich auch einfach dazu eingesetzt werden, ein helleres Bild aufzunehmen. Beispielsweise in Innenräumen oder Nachts kann es manchmal schwer werden ein gutes Bild ohne zusätzliche Lampen aufzunehmen. Mit der ISO sollte man bekanntlich etwas sparen und auch die Blende stößt an ihre Grenzen. Da kann es helfen die Verschlusszeit der Kamera zu verlängern. Um Verwacklungen zu vermeiden, sollte die Kamera bestenfalls auf einem Stativ angebracht werden.
Lichtmalerei mit Langzeitbelichtung
Besonders beliebt bei der Langzeitbelichtung ist die sogenannte Lichtmalerei (auch lightpainting genannt). Mit Hilfe von etwas Licht lassen sich hierbei ganz tolle Effekte erzielen. Vielleicht kennst Du auch die bekannten Bilder von einer Autobahn und den schönen roten und weißen Linien darauf? Das ist nichts anderes als eine Langzeitbelichtung, bei der die Autoscheinwerfer zu Linien werden. Doch mit langen Verschlusszeiten lassen sich nicht nur Linien zeichnen. Mit einem Feuerzeug, einer Lichterkette oder einer Taschenlampe lassen sich alle möglichen Formen und sogar ganze Wörter in der Luft zeichnen.
Durch die Bewegung einer Lichtquelle im Bild erhält der Sensor immer wieder neue Informationen zur Position des Lichtes. Diese Verschiebung wird während der Langzeitbelichtung festgehalten, wodurch letztlich eine Spur entsteht.
Lichtmalereien aufnehmen
Dunkle hierfür einfach nur einen Raum ab oder geh bei Dunkelheit vor die Tür und versuche z.B. die Location bewusst mit einzubauen. Wichtig ist es nun ein Langzeitbelichtung einzustellen, bei der die Form oder das Wort vollständig gezeichnet werden kann und der Hintergrund die gewünschte Helligkeit besitzt. Je langsamer der Schriftzug geschrieben wird, desto länger die Belichtungszeit und desto heller werden die Lichtlinien. Um die perfekten Einstellungen herauszufinden, muss man also erstmal ein paar Testbilder aufnehmen und ausprobieren, was am besten aussieht. Hierbei kann sowohl die Belichtungszeit im manuellen Modus oder auch über den Bulb-Modus eingestellt werden. Hierbei wird das Bild solange belichtet, wie der Auslöser der Kamera gedrückt wird.
Beim Schreiben mit Licht ist außerdem darauf zu achten, dass das Wort spiegelverkehrt geschrieben wird und die Person möglichst dunkle Kleidung trägt.
Lichtmalerei mit Personen
Bei einem normalen Langzeitbild mit Lichtmalerei sind die Personen nicht oder kaum zu sehen, da sie sehr dunkel sind. Möchte man eine Person auf dem Bild mit einbauen, muss also darauf geachtet werden, dass diese genug Licht abbekommt. Die Helligkeit des Feuerzeugs oder der Taschenlampe reicht alleine nicht aus. Selbstverständlich könnte man die Kameraeinstellungen anpassen, sodass das Bild heller wird. In diesem Fall wäre zwar die Person richtig belichtet, doch das Licht wäre zu hell und ausgebrannt. Das funktioniert also leider nicht.
Stattdessen sollten die Einstellungen auf die Lichtmalerei und den Hintergrund angepasst werden. Für die Beleuchtung der Person wird nun eine zusätzliche Lichtquelle eingebaut. Hierfür kann man beispielsweise einen einfachen Aufsteckblitz verwenden. Da dieser eine kurze Belichtungszeit besitzt, wird die Person eingefroren und scharf abgebildet. Das Licht hingegen wird lange belichtet, wodurch Lichtstreifen entstehen. Wichtig ist es hierbei den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang einzustellen. Andernfalls, sieht es meist aus als würde man sich rückwärts bewegen. Fotografiert man beispielsweise ein fahrendes Auto mit diesen Einstellungen, zieht es die Lichtstreifen nicht hinter sondern vor sich her. Es sieht also so aus, als würde das Auto rückwärts fahren. Wenn der Blitz bei der selben Aufnahme aber auf den zweiten Vorhang synchronisiert wird, verlaufen die Streifen wie gewohnt hinter dem Auto. Je nachdem, wie das Licht bewegt wird wäre dies also die bessere Wahl.
Verwacklungen bei Langzeitbelichtungen vermeiden
Manchmal kommt es selbst in der Produktfotografie vor, dass Bilder verwackelt und unscharf werden. Wie kann das sein, wenn sich das Motiv nicht bewegt? Ganz richtig, das Motiv hat sich nicht bewegt aber gut möglich, dass Du dich bewegt hast. Bei Langzeitbelichtungen ist es sehr wichtig Verwacklungen zu vermeiden und ruhig zu halten. Bereits kleinste Bewegungen der Hände werden von der Kamera wahrgenommen und können zu einer Unschärfe im Bild führen.
Doch was kann man dagegen tun?
Zahlreiche Kameramodelle besitzen einen Bildstabilisator, der dabei hilft Verwacklungen entgegen zu wirken. Dabei registriert die Kamera die Bewegungen der Hände und steuert aktiv dagegen. Je nachdem, wie ruhig deine Hände sind, kannst Du also auch etwas längere Belichtungszeiten noch aus der Hand fotografieren. Doch bei wirklich langen Verschlusszeiten hilft auch die ruhigste Hand und der beste Bildstabilisator nicht mehr – da muss ein Stativ her.
Ein Stativ hilft dabei die Kamera richtig zu positionieren und ruhig zu halten. So kannst Du zum Beispiel auch bei Serienaufnahmen sicher gehen, dass sich der Bildausschnitt und die Position der Kamera nicht verändert. Aber das wichtigste ist, dass die Kamera komplett ruhig steht und so keine unschönen Verwacklungen entstehen. Empfehlenswert ist es ebenfalls einen Fernauslöser zu verwenden und nicht mit der Hand an der Kamera abzudrücken. Denn selbst durch diesen kurzen Knopfdruck kann die Kamera verwackeln.
Ein Stativ sollte man übrigens nicht nur bei stilllebenden Produkten verwenden. Auch für Motive, die sich bewegen, sollte man unbedingt ein Stativ einsetzen.
Um sicher zu gehen, dass trotz Stativ keine Verwacklungen entstehen, ist es ebenfalls sinnvoll bei Spiegelreflexkameras die Spiegelvorauslösung zu aktivieren. Dabei wird der Spiegel bereits vor Aufnahme des Bildes ausgelöst. Denn selbst eine kleine Erschütterung durch das Hochklappen des Spiegels kann dazu führen, dass ein Bild an Schärfe verliert.
Verwacklung und Bewegungsunschärfe – wo liegt der Unterschied?
Manch einer mag sich jetzt vielleicht fragen warum man für bewegende Motive ein Stativ braucht. Immerhin habe ich vorhin noch erklärt, dass die Bilder doch sowieso unscharf werden. Also was bringt dann ein Stativ?
Unscharf ist eben nicht gleich unscharf. Die Bewegungsunschärfe bei einer Langzeitbelichtung ist ein Effekt, der bewusst und gezielt eingesetzt wird. Hier wird die Unschärfe vom bewegenden Motiv gelenkt. Wenn Du also einen Wasserfall mit einer langen Belichtungszeit fotografierst, erscheint dieser nicht komplett scharf sondern verschwimmt in dessen Bewegung. Man sieht also, dass das Wasser nicht still steht sondern fließt. Das umgebende Gelände hingegen steht still und wird daher scharf im Bild wiedergegeben.
Eine Verwacklung hingegen wird normalerweise nicht gezielt eingesetzt. So entsteht durch eine zittrige Hand eine Unschärfe im gesamten Bild. Diese bezieht sich also nicht nur auf ein Motiv, sondern auf das komplette Bild und zerstört somit die Qualität.
Die richtige Ausrüstung für lange Belichtungszeiten
Stativ und Fernauslöser
Das Wichtigste bei einer Langzeitbelichtung ist das richtige Stativ. Um Verwacklungen im Bild zu vermeiden benötigst Du ein gutes und stabiles Stativ. Wie bereits zuvor erwähnt wäre auch ein Fernauslöser eine sinnvolle Anschaffung.
Kamera für Langzeitbelichtungen
Langzeitbelichtungen kannst Du eigentlich mit jeder Spiegelreflexkameras und Systemkameras durchführen. Wichtig ist, dass Du die Belichtungszeit manuell einstellen kannst. Die meisten Kameras können im AV,TV oder manuellen Modus höchstens eine Zeit von 30 Sekunden einstellen. Idealerweise besitzt die Kamera also auch einen Bulb-Modus, bei dem noch länger belichtet werden kann.
Filter für Langzeitbelichtungen
Um ein Bild mit einer langen Belichtungszeit aufzunehmen, brauchst Du nicht zwingend einen Filter. Doch insbesondere bei Langzeitbelichtungen am Tag ist dies sehr empfehlenswert. Durch lange Verschlusszeiten bei Tageslicht werden die Bilder meist viel zu hell. Mit Hilfe eines Graufilters (auch ND-Filter genannt) kannst Du auch bei einer Belichtungszeit von mehreren Sekunden bis hin zu Minuten gut belichtete Bilder aufnehmen.
Die richtige Kameraeinstellung bei Langzeitbelichtungen
Das A & O beim Fotografieren mit langen Belichtungszeiten ist es natürlich die passende Verschlusszeit zu wählen. Allerdings gibt es hierfür keine festgelegte Faustregel zum auswendig Lernen. Denn die Kameraeinstellung hängt ganz vom gegebenen Licht und dem gewünschten Ergebnis ab.
Hierbei gilt: Je länger die Belichtungszeit, desto heller wird das Bild.
Möchte man aber einen Ablauf bildlich festhalten, kommt es natürlich nicht nur auf die richtige Belichtung an. Die Verschlusszeit muss lange genug sein, um den Bewegungsablauf vollständig festhalten zu können.
Möchte man zum Beispiel einen Bewegungsablauf, wie zum Beispiel bei einem Sternenhimmel, aufnehmen, so muss man natürlich wesentlich längere Zeiten einstellen als bei Langzeitbelichtungen, mit denen man nur schlechte Lichtverhältnisse ausgleichen will.
Die ISO Werte sollten natürlich wie immer möglichst gering gehalten werden, um Bildrauschen zu vermeiden. Um die fehlende Helligkeit auszugleichen kann man dafür die Blende öffnen und eine längere Zeit einstellen.
Um die richtigen Einstellungen für das Bild zu finden, sollte man am besten ein paar Testbilder aufnehmen und die Belichtung im Histogramm kontrollieren.